Reiner Mannheims

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Schon als Junge Druckerschwärze inhaliert

Diplom vor 40 Jahren – Reiner Mannheims (66)

Dem Liebesglück der Eltern hat er es zu verdanken, dass er Journalist wurde. Diplom-Journalist – um genau zu sein. Der Vater volontierte in Reutlingen und wechselte dann mit seiner Frau ins Münsterland.  Reiners Mutter stammte aus einer Verlegerfamilie und war Gesellschafterin beim Bocholter-Borkener Volksblatt.  Für Reiner stand schon als kleiner Junge fest: Ich werde Journalist. Zu gut hatte es in den Redaktionsstuben der Bocholter Zeitung nach Druckerschwärze und Kaffee gerochen. Oft war der kleine Reiner morgens dabei, wenn die Herren Redakteure, denn es waren Anfang der 1960er-Jahre nur Männer, durch die druckfrische Ausgabe der Zeitung blätterten und über neue Themen nachdachten. „Das hat mich total fasziniert, morgens in die Redaktion zu kommen und die Redakteure zu beobachten, die nicht wussten, was der Tag so bringt“, erinnert sich Reiner heute. „Mit zwölf Jahren war ich mir ganz sicher, ich will auch Journalist werden.“

Die Eltern hatten nichts dagegen, obwohl sie ihren Sohn auch gerne im Verlagswesen gesehen hätten. Schon die Großeltern waren im Kreis Bocholt/Borken als Verleger unterwegs.

Nach dem Abitur in Borken zog es Reiner zunächst an die Universität nach Münster. Ein paar Semester Germanistik, Geschichte und Philosophie studierte er dort. Aber dann kam die gute Nachricht: In Dortmund ging der Journalistik-Studiengang mit 52 Plätzen an den Start. „Ich habe das in der ‚Aspekte‘ gelesen, das war damals ein Heft vom Arbeitsamt, das an Abiturienten verteilt wurde“, erinnert sich Reiner. „Ich bin sofort nach Dortmund gefahren. Das war 1975, alles viel zu früh.“ Kommen sie nächstes Jahr wieder, lautete damals der Ratschlag aus dem Sekretariat in einer Baracke auf dem Campus.

Und das tat Reiner. Mit einem Abi-Durchschnitt von 1,9 bekam er 1976 den ersehnten Platz im neugegründeten Diplom-Studiengang Journalistik.

Er zog von Münster nach Dortmund, an den Borsigplatz. „Die Stadt hat mir auf Anhieb gefallen. Ein Bekannter hatte mich zwar gewarnt: Am Borsigplatz musst du aufpassen, da laufen viele mit Lederjacke rum“, erinnert sich Reiner heute an die Warnungen vor Kriminellen und lacht herzhaft. Aber das tat seiner Vorfreude keinen Abbruch. Auch das Studium und die Kommiliton:innen gefielen ihm sofort, und mit einigen ist er bis heute befreundet. „Die totale Aufbruchstimmung herrschte am Institut,“ erinnert sich Reiner. „Es gab noch keine Studienordnung, keine Prüfungsordnung, dazu viele offene Fragen – sollten Scheine etwa benotet werden oder besser nicht? Das Ganze fühlte sich wie ein großes Experiment an.“

Was es bereits gab, waren 52 Volontärspraktikums-Plätze. Doch bis die verteilt werden konnten, mussten sich die Studienanfänger durchs Vordiplom kämpfen.

Neben Institutsleiter Kurt Koszyk gehörten Siegfried Weischenberg, Frauke Höbermann und Claus Eurich zur ersten Besetzung des Lehrkörpers. Kurz darauf kamen Udo Branahl, Gerd G. Kopper und Ulrich Pätzold dazu, außerdem zahlreiche Gastdozenten aus der journalistischen Praxis. Eine Lehrredaktion oder gar eine Studierendenzeitung gab es noch nicht. „Wir haben praktisch gearbeitet in Seminaren, das ja, aber ausschließlich für die Schublade.“

Dass ihn das Studium dennoch gut auf die journalistische Praxis vorbereitet hatte, zeigte sich dann im Volontärspraktikum. „Fast alle wollten zum WDR, das war klar“, erinnert sich Reiner an den schon damals einflussreichsten Partner des Instituts im Vergabeverfahren. „Aber für mich kam nur Print in Frage.“ Auch die große Westdeutsche Allgemeine Zeitung im Ruhrgebiet war nicht seine erste Wahl, Reiner ging zur Rheinischen Post nach Düsseldorf. „Die erste Station war die Lokalredaktion Leverkusen-Opladen, und der erste Tag war schlimm.“ Wegen Lampenfieber oder Übermüdung, Reiner weiß es nicht mehr ganz genau. „Aber dann habe ich nur noch geschrieben, geschrieben, geschrieben. Meldungen, Berichte, Reportagen, einfach alles.“ Der klassische Terminjournalismus, wie er im Lokalen erforderlich ist. Aber auch in der Layoutproduktion kam Reiner anschließend gut klar. „Es war die Zeit der Umstellung vom Bleisatz auf elektronische Systeme. Das war unglaublich spannend.“

Der Kontakt zu den Kommilitonen blieb auch im Volontariat bestehen. „Ich traf mich regelmäßig mit Horst Röper, der war in Köln, und Ulrich Hienzsch in Solingen. Der Austausch über die verschiedenen Erfahrungen im Volo war wichtig.“ Und damit ging es dann in der Reflexionsphase auch an der Uni in Dortmund weiter. Die letzte Station im Volo war für Reiner Mannheims die Redaktion „Reportage Rhein/Ruhr“ unter der Leitung von Ria Theens. Anschließend absolvierte der junge Student noch ein Praktikum im WDR-Hörfunkstudio in Essen. „Nachdem ich meinen ersten eigenen Beitrag zum Thema Einsatzzeiten des Rettungs-Notdienstes im westlichen Ruhrgebiet eingesprochen hatte, kam aus Köln die Rückmeldung: Einen Jürgen von Manger können wir nicht gebrauchen“, erinnert sich Reiner an die Kritik an seinem echten westfälischen Akzent, den er bis heute nicht abgelegt hat, und muss schon wieder herzhaft lachen. Damit hatte sich das Thema Radio erstmal erledigt, und es ging zurück an die Universität.

Noch zwei Semester Reflexionsphase und einige Seminare über die journalistische Praxis. 90 Minuten ruhig im Seminarraum zu sitzen, war nach der praktischen Arbeit in den Redaktionen eine Qual. Reiner machte mit bei der Idee von zwei Kommilitonen, ein Studenten-Magazin herauszubringen. Die BE-Eins war geboren, Dietmar Bergmann und Ulrich Hienzsch hatten die Idee und konnten die Kommiliton:innen ebenfalls begeistern. Themen gab es rund um den Campus genug.

Die erste Ausgabe war schnell fertig und sogar mit Anzeigen finanziert. Aber nach der zweiten Ausgabe war schon wieder Schluss, denn schließlich mussten die Studenten an ihre Diplomarbeit denken.

Nur, zu welchem Thema? Diese Frage beschäftigte alle.

Reiners Geisterblitz kam beim Studium der Fernsehzeitschrift GONG. Eine Geschichte über einen ehemaligen Redakteur der ARD-Tagesschau ließ ihn aufhorchen, der berichtete, wie er durch Alkoholmissbrauch seinen Job verloren hatte.

„Diese Erfahrung hatte ich in den Redaktionen auch gemacht. Es wurde regelmäßig  während der Arbeitszeit getrunken. Egal ob Jubiläum, Geburtstag, Wochenende oder Urlaubsbeginn, einen Grund zum Feiern und Anstoßen gab es immer.“ Er wollte das Phänomen genauer untersuchen. „Trinkmuster und Trinkgewohnheiten am Beispiel einer Berufsgruppe als Reaktion struktureller Bedingungen journalistischer Arbeit“ – Siegfried Weischenberg nahm das Thema an, und so konnte Reiner Mannheims 1981 mit dem Diplom in der Tasche die Dortmunder Uni – um viele Erfahrungen reicher – verlassen.

Es folgten kurze Episoden bei einem Journalistenbüro „inform-west“ in Dortmund und als Springer für die Recklinghäuser Zeitung in den Redaktionen Waltrop, Datteln und Oer-Erkenschwick. Aber das war es noch nicht. Reiner heuerte beim Lokalfunk-Projekt des WDR in Dortmund an, entwickelte sich vom Redakteur zum Chef vom Dienst und war damals schon ambitioniert, Führungskraft zu werden. So war er dann doch noch beim Radio und Fernsehen erfolgreich.

Für die weitere Karriere brachte sein Onkel Rolf Terheyden den Stein so richtig ins Rollen: Als Verleger des Bocholter-Borkener Volksblatts und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hatte er die Nase im Wind, als es um die Veranstaltergemeinschaften für den lokalen Hörfunk Anfang der 1990er-Jahre ging. Auch im Kreis Borken wurde eine lokale Hörfunk-Redaktion eingerichtet, und Reiner Mannheims heuerte als Chefredakteur dort an. „Es gab noch keine Frequenz und keinen Sender, aber ich konnte mein eigenes Team zusammenstellen und wir konnten sozusagen unter realen Bedingungen den Sendebetrieb üben, bevor wir im April 1992 dann an den Start gingen. Das war eine großartige Zeit.“

Reiner blieb beim Sender Radio WMW (Westmünsterland-Welle) bis zu seiner Frühpensionierung aus gesundheitlichen Gründen Ende 2012. Dem Dortmunder Institut ist er in all den Jahren treu geblieben. „Vor allem die Praktikanten und Volontäre aus Dortmund waren immer gut. Darauf konnte ich mich verlassen.“ Und er trat in den Alumniverein ein, der 1995 am Institut gegründet wurde.

Noch heute fallen ihm viele Namen und Gesichter ein. Und er freut sich darauf, vielleicht im Oktober dieses Jahres gemeinsam mit dem EX ein großes Wiedersehen mit ehemaligen Kommiliton:innen und Professoren in Dortmund aus den Anfangszeiten des IJ zu feiern.